Aufruf zur Blogparade „Streitfall Sprache“: Dynamischer Teil der Geschichte oder Objekt der Zensur?
Die Leser*innen der DEUTSCHEN SPRACHWELT kürten kürzlich den deutschen Schlagersänger Heino und die Krimiautorin Donna Leon zu „Sprachwahrern des Jahres 2023“. Sie belegten Platz 2 und 3, weil sie sich gegen Sprechverbote und Zensur in der Sprache und für eine historisch gewachsene und dynamische Sprache einsetzen. Liedtitel von Heino wie „Lustig ist das Zigeunerleben“ oder der vermeintlich rassistische Begriffe „Negerkönig“ in den Pippi-Langstrumpf-Büchern seien kulturell und ihrer Zeit entsprechend verwendet worden, nicht per se diskriminierend gemeint bzw. zu verstehen. Lieder oder Literatur seien Kulturgüter, für die andere Maßstäbe gelten müssen. Die Sprache der Vergangenheit sei als Teil der Geschichte anzuerkennen. Im Mai 2023 sagte die Schweizer Schriftstellerin Donna Leon der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wir leben jetzt in einer Welt, in der man nichts schreiben darf, was Leser kränkt, überrascht, verletzt, verstört oder in irgendeiner anderen Weise Empfindlichkeiten berührt. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Das nennt man Zensur.“
Sprache lebt – zum Glück!
Unstrittig ist selbstverständlich, dass Begriffe wie „Negerkönig“, „Zigeuner“ oder „Eskimo“ heute nicht mehr zeitgemäß für unsere Alltagssprache sind – und von denjenigen, die sie heute noch immer benutzen, vermutlich rassistisch, beleidigend oder diskriminierend gemeint sind. Aber …
- … ist Sprache nicht dennoch etwas, das sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gewandelt hat?
- … ist nicht aus dem Wort Dirne, das im Althochdeutschen schlicht „Mädchen“ bedeutete, erst in der Neuzeit zum Schimpfwort für Prostituierte geworden? Denn noch heute beweisen regionale Formen wie „Deern“ in Norddeutschland oder „Dirndl“ in Süddeutschland die „harmlose“ Wortherkunft.
- … stand „geil“ seiner Herkunft nach nicht zunächst für „aufschäumend, heftig, übermütig, ausgelassen, lustig“, bevor Geilheit als Synonym erst im 15. Jahrhundert als Anspielung auf Lüsternheit, sexuelle Begierde und Wollust verwendet wurde – und heute wieder für alles steht, das toll, außergewöhnlich oder hip ist?
Blogparade „Streitfall Sprache“ – was ist deine Meinung?
Mach mit bei meiner Blogparade und beschreibe, wie du über Sprache denkst. Dabei sind folgende Leitfragen vielleicht hilfreich für dich – aber nicht bindend:
- Ist Sprache vergangener/anderer Zeiten unbedingt an unsere modernen Bedeutungsebenen anzupassen?
- Sollte man Begriffe und Wörter aus „anderen Zeiten“ heute wegzensieren bzw. bereinigen?
- Sollten Kunst, Kultur und Literatur, die in ihrer Zeit entstanden sind und dem damals geltenden Sprach- oder Darstellungsgebrauch entsprachen, unverändert bestehen bleiben und stattdessen mit ergänzenden Erläuterungen versehen werden?
- Wie gehen wir heute mit der sog. „kulturellen Aneignung“ in Kunst, Kultur, Literatur oder Sprache um?
- Darf ein Weißer noch einen Schwarzen auf der Bühne darstellen – oder umgekehrt? – Darf ein Mann eine Frau spielen – bis ins 17. Jahrhundert hinein gab es nur männliche Schauspieler – damals ganz normal? – Darf ich mich im Karneval noch als Chinesin oder Indianerin verkleiden?
- Dürfen unsere Kinder heute noch Winnetou oder Pippi Langstrumpf lesen?
- Wo ziehen wir in der Kunst, Kultur und Literatur die Grenzen?
- Wo bleiben Vielfalt, Freiheit und Dynamik in Sprache und Literatur?
- Gibt es noch Kreativität – oder muss jedes Wort, jede Abbildung, jedes Motiv, jede Karikatur erst durch den Filter der „Political Correctness“, bevor es gedruckt oder ausgesprochen werden darf?
Ich bin sehr gespannt, was deine Meinung zu diesem Thema ist und freue mich sehr über einen lebendigen und respektvollen Diskurs.
So kannst du an meiner Blogparade teilnehmen
- Schreibe einen eigenen Blogbeitrag bis zum 1. September 2024 zu meiner Blogparade „Streitfall Sprache“ und veröffentliche ihn auf deinem eigenen Blog. Du kannst auch einen Podcast oder ein Video erstellen und verlinken.
- Nenne und verlinke meinen Aufruf zur Blogparade in der Einleitung deines Beitrags – dies ist der korrekte Link: https://projekttext.com/blogparade-streitfall-sprache-freiheit-zensur
- Kommentiere nach der Veröffentlichung unter diesem Beitrag, dass du teilgenommen hast, verlinke deinen eigenen Beitrag und schreibe ein bis drei zusammenfassende Sätze dazu. So verpasse ich deinen Blogbeitrag nicht und unsere Leser*innen können sich noch vor dem Klick vorstellen, worüber du schreibst.
- Ich freue mich, wenn du meinen Aufruf und deinen Beitrag auf weiteren Kanälen deiner Wahl oder in deinem Newsletter teilst und uns beiden so noch mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit verschaffst – nutze dabei bitte den Hashtag #BlogparadeStreitfallSprache
- Wenn du keinen eigenen Blog hast, kannst du deinen Beitrag einfach als langen Kommentar direkt unter diesem Aufruf einreichen.
- Jeder hier fristgerecht eingereichte und verlinkte Beitrag zu meiner Blogparade bekommt ein „Shoutout“ auf meinen Social-Media-Kanälen – also ein eigenes Posting mit Link für noch mehr Sichtbarkeit und Reichweite.
- Offensichtlich unsachliche, polemische, beleidigende oder rassistische Beiträge jedweder Art ohne direkten Bezug zur Fragestellung dieser Blogparade werde ich nicht anerkennen, erwähnen oder teilen. Ich erlaube mir, die Beurteilung entsprechend meiner Werte selbst vorzunehmen.
- Auch ich nehme an meiner Blogparade teil, meinen Beitrag werde ich hier später verlinken.
Ich freue mich sehr auf deine Meinung – sei es ein Beitrag, ein Rant, ein Plädoyer, ein Gedicht, ein Podcast, ein Video … deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt! Bis zum 1. September 2024 hast du Zeit.
Und falls du mal meine Hilfe als Fachjournalistin, Bloggerin oder Online-Redakteurin in Sachen Text, Redaktion oder Content brauchst und ich dich bei deinen Texten unterstützen kann, melde dich gerne. Unter „Arbeite mit mir“ findest du weitere Informationen.
Zum Hintergrund dieser Blogparade
Dieser Aufruf zur Blogparade ist seit meinem Start 2021 in The Content Society – meiner Blogging-Community TCS von und mit Judith Peters – mein vierter.
Im letzten Jahr habe ich Floskeln und Nerv-Sprech gesucht – zu meinem Aufruf hat meine Blogger-Kollegin Uli Pauer übrigens einen ihrer klickstärksten Blogbeiträge zur „Dürferitis“ und dem Ausmisten von Wörtern und Floskeln veröffentlicht:
Vor zwei Jahren ging es in meiner Blogparade um „Künstliche Intelligenz beim Texten“, in 2021 habe ich zu Beiträgen rund um „Gendergerechte Sprache“ aufgerufen.
Also – bist du dabei? Wie prägt das Thema deine eigene Sprache, dienen Stil, deinen Ausdruck, deine Lesegewohnheiten, deine Erfahrungen … Ich bin gespannt und freue mich auf deinen Beitrag!
Falls das nicht dein Thema ist, findest du im August 2024 über 90 weitere Blogparaden-Themen, zu denen du einen Blogbeitrag verfassen kannst, denn meine Blogparade ist nur eine von vielen, zu denen die die engagierten Bloggerinnen und Bloggern aus TCS aufrufen.
Pingback: #12von12 im September 2024: Unbedingter "Soulfood-Day" - Nicole Isermann / NicPR
Pingback: Monatsrückblick August 2024: Heißester Monat seit Messbeginn
Liebe Nicole,
nun habe ich es endlich auch geschafft, meinen Text zu deiner Blogparade zu veröffentlichen. Ich habe mich auf die Frage konzentriert, ob Kinderbücher verändert werden sollten, und habe eine sehr klare Meinung dazu. Du findest meinen Blogartikel hier: https://birgit-oppermann.de/warum-kinderbuecher-sprachlich-angepasst-werden-sollten/
Viele Grüße
Birgit
Liebe Birgit,
herzlichen Dank für deinen Beitrag, deine dezidierte Haltung gefällt mir gut: Verändern/Modernisieren mit Erläuterungen ist ein guter Weg, auch wenn ich es eher anders herum machen würde, also das Original beibehalten und problematische Begriffe erläutern/erklären. Vor allem auch im gemeinsamen Gespräch beim Vorlesen.
Herzliche Grüße
Nicole
Pingback: Warum Kinderbücher sprachlich angepasst werden sollten
SPRACHE IM WANDEL
MODERNE ZEITEN
Girls‘ Day und Boys‘ Day,
immer up to date, okay.
E-Bike und E-Scooter
sind „in“ – wie der Router.
Deutsche Sprache, Ade!
Das Brett
ist Board geworden,
Anglizismen allerorten.
Wir surfen, skaten, kiten
durch die modernen Zeiten.
Es wird gelikt und gestreamt,
wie sich’s für Hipster geziemt.
Coffee to go, Center und Shop,
come in and find out. Alles top!
Nicht klagen, nicht verzagen,
einfach mehr Deutsch wagen.
Englisch, wenn es angebracht,
nicht der Sprache Übermacht.
Uns’re schöne Muttersprache,
von Dichtern und Denkern verehrt,
an Schulen mit Elan gelehrt;
ist wert, dass man sie bewahre.
Jede Sprache wandelt ihr Gesicht,
da ist kein Klagen und kein Verdruss,
eine Sprache muss bleiben im Fluss.
Ich verdamme Anglizismen nicht.
Doch sollte man’s nicht übertreiben,
lasst Bretter einfach Bretter bleiben.
Shopping im Center ist wunderschön,
man kann auch einfach einkaufen geh’n.😉
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Hallo Rainer Kirmse,
ein großartiger Reim zum Sprachwandel ist das – vielen Dank dafür!
Viele Grüße
Nicole
Liebe Nicole,
du hast dir wirklich ein starkes Thema zu einer Blogparade ausgesucht. Lange habe ich überlegt, ob ich mitmachen möchte. Sicherlich habe ich dazu auch meine Meinung. Aber ich möchte diese nicht öffentlich machen. Vielmehr ist es mir wichtig, dass die Menschen, mit denen ich spreche und solche, die etwas von mir lesen, von meiner Sprache berührt werden. Ich möchte meinen Mitmenschen mit dem wie ich spreche und mit dem was ich schreibe, Gutes tun. Ein liebevoller Umgang mit meinem Nächsten fängt für mich in der Sprache an. In diesem Sinne freue ich mich auch, wenn ich deine Texte lese.
Lieben Gruß
Edith
Liebe Edith,
das kann ich gut verstehen! Eigentlich ist dein Kommentar ja auch schon ein Beitrag, denn diese Gedanken sind sehr wertschätzend ubd du könntest sie zum Thema teilen, finde ich.
Hab lieben Dank für dein schönes Feedback und
viele Grüße.
Nicole
Endlich! Hier kommt mein Beitrag zu deiner Blogparade.
https://ulipauer.com/sprache-mit-verantwortung-texte-ausmisten/
Liebe Uli,
wow, ich bin sehr beeindruckt, was du zu meiner Blogparade alles recherchiert und zusammengefasst hast. Was für eine spannende Reise in die Sprache der Vergangenheit und Gegenwart.
Das Fazit muss wohl lauten „Sowohl als auch“: Sprache lebt, wird sich immer verändern und wandeln, muss geändert werden, wo sie aktiv beleidigt, ausgrenzt oder diskriminiert.
Doch auch Altes muss stehenbleiben und in seinem zeitgenössischen Kontext begriffen werden, ggf. durch Anmerkungen, Kommentare und Erläuterungen ergänzt.
Neues wird geschrieben werden, das unseren heutigen Ansprüchen entspricht, und auch darüber werden sich kommende Generationen wieder in die Haare kriegen, da bin ich sicher.
Hab allergrößten Dank für deinen nachdenklich machenden Beitrag!
Liebe Grüße
Nicole
Pingback: Sprache mit Verantwortung: Texte ausmisten
Liebe Nicole,
auch in diesem Jahr bin ich gerne bei deiner Blogparade dabei. Und hab mir ein paar Gedanken (nicht nur) zu Winnetou gemacht: https://ichgebaere.com/streitfall-sprache-blogparade/
Liebe Grüße,
Katharina
Liebe Katharina,
wie schön, dass du wieder mitgemacht hast, ich finde deine Betrachtungen immer sehr spannend und Augen öffnend. Lieben Dank und viele Grüße.
Nicole
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Wenn es um Sprache geht, dann stellen sich mir mitunter die Nackenhaare auf. Gesprochene Sprache ist keine Mathematik. Mathematik ist sachlich und oft verwenden wir sie so, dass es nur ein Ergebnis geben kann, was auch schon nicht ganz richtig ist. Gibt es richtig und falsch bei der gesprochenen Sprache? Ich meine, es gibt „gelungen“ oder „nicht gelungen“ und ganz viele Schattierungen dazwischen. Und ich verneige mich vor solchen Menschen, die ganz ohne Zweifel großartig auszudrücken vermögen, was mir bisher nicht gelungen ist. Manchmal denke ich auch: Das Blumenbouquet vor hunderten von Jahren war reicher als heute. Sicher liegt das an der Geschwindigkeit dieser Zeit. Ich möchte nicht die heutige Zeit infrage stellen, aber auch die vergangene nicht, als der Reichtum der Sprache noch viel größer als heute war! Darf man das so sagen? Liebe Nicole, du hast ein großes Thema aufgemacht, und es braucht noch viele Sitzungen, bis es zu Ende gedacht ist. Dies hier ist deshalb nur mein Zwischenergebnis. Herzliche Grüße Claudia / Link zu meinem Blogbeitrag: https://claudia-r-scholz.de/sprache-lebt-zum-glueck/
Deine Gedanken finde ich spannend! Gibt es richtig oder falsch? Oder eher gelungen und nicht gelungen? War Sprache früher reicher? Danke dir für dieses wertvolle Zwischenergebnis, liebe Claudia!
Viele Grüße
Nicole
Pingback: Sprache lebt - zum Glück! - Der Nachrichtendienst für Kunst und Kultur
Pingback: Streit um Sprache (?)
Liebe Nicole, danke für diesen Aufruf. Das Thema ist ja vielschichtig und komplex. Ich habe weniger meine Meinung dazu geschrieben, wie ich zu problematischen Begriffen stehe, und mehr darüber, welche Mechanismen ich hinter diesem Streit am Werk sehe. Am Ende habe ich eine Vision von einer Zukunft, in der wir uns gegenseitig auf Augenhöhe begegnen und freue mich schon darauf 😀
Hier ist mein Beitrag: https://angela-carstensen.de/streit-um-sprache/
Liebe Grüße
Angela
Liebe Angela,
Chapeau – ein toller und vielschichtig beleuchteter Beitrag zu meinem Aufruf ist dir da gelungen – und hat mich zum Nachdenken gebracht. Mir gefällt sehr gut, wie du das Thema beleuchtest und ein „sowohl als auch“ erkennst! Auch das Zitat „Meine Nostalgie ist wichtiger als deine Zugehörigkeit.“ ist super, um die eigene Haltung zu hinterfragen/entdecken.
Dein Fazit würde ich auch unterschreiben: „Oft fragen Menschen, was wir überhaupt noch dürfen. Die gute Nachricht ist, dass wir in einem freien Land wie Deutschland sehr viel dürfen. Es ist nicht gesetzlich verboten, weiterhin Schaumküsse mit dem alten Begriff zu bezeichnen. Es ist nur gleichzeitig nicht verboten, diesen Begriff als rassistisch einzuordnen und das offen zu sagen.“
Herzlichen Dank für diese vielen Denkanstöße und
viele Grüße
Nicole
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Liebe Nicole,
dein Aufruf zur Blogparade hat mich direkt angesprochen, heute bin ich dazu gekommen, meine Gedanken zu sammeln und in einen Blogartikel fließen zu lassen.
Du findest ihn hier:
https://www.gabi-kremeskoetter.de/blog/2024/07/25/sprache-kulturgut/
Ich danke dir für den Anstoß, dieses so wichtige Thema einmal schriftlich zu bearbeiten, bin gespannt, welche Meinungsvielfalt noch dazu kommt.
Viele Grüße zu dir
Gabi
Liebe Gabi,
hurra, du hast den 1. Beitrag zu meiner Blogparade geliefert, herzlichen Dank dafür! Deine Gedanken teile ich persönlich, Sprache muss immer in ihrem Kontext gesehen und beurteilt werden. Aber: Ich bin ebenfalls gespannt, welche weiteren und gerne auch kontroversen Meinungen sich hier versammeln werden.
Herzliche Grüße
Nicole
Pingback: Sprache ist keine Mode, sondern Kulturgut - Gabi Kremeskötter - Liebe, die durch Worte strahlt
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