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Wann bin ich zufrieden?

Meine Freundin Korina hat in ihrer Blogparade „Hauptsache zufrieden?!“ dazu aufgerufen, sich mit der Zufriedenheit zu beschäftigen. Da sicherlich jede*r Zufriedenheit ein bisschen anders für sich definiert, habe ich mich als studierte Germanistin einmal mit den verschiedenen Definitionen von Frieden und Zufriedenheit befasst, und die Wortherkunft näher angeschaut. Gerade in unserer heutigen Zeit ist Frieden ein sehr wertvolles und hohes Gut, aber leider längst nicht mehr überall in Europa selbstverständlich.

Friede und Frieden

Friede oder Frieden – das kommt ursprünglich aus dem Althochdeutschen fridu, das wiederum für Friede, Schutz, Sicherheit, aber auch Schonung oder Freundschaft steht. Frieden ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung bzw. Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der „Friedfertigkeit“ und damit verbundener Friedensbemühungen.“ (Wikipedia).

In Deutschland gibt es darüber hinaus diverse Straftatbestände in Zusammenhang mit Frieden: So ist bei innenpolitischen Auseinandersetzungen von Landfriedensbruch die Rede; im Arbeitsleben kann der Betriebsfrieden gestört sein und in Bezug auf den Schutz des Privateigentums gibt es den Hausfriedensbruch. Grundstücke, die gegen Hausfriedensbrüche geschützt werden sollen, werden oft eingezäunt oder „eingefriedet„.

Hier geht es also um einen Zustand in einem Land oder in einer bestimmten Umgebung, der durch gewisse Störungen von Außen ins Ungleichgewicht geraten kann.

Zufriedenheit

Bezogen auf mich als Person bedeutet Zufriedenheit, dass ich innerlich ausgeglichen bin, dass ich alles habe, was ich dringend und unmittelbar zum Leben brauche und ich an den gegenwärtigen Verhältnissen oder Leistungen nichts auszusetzen habe. Dabei sehe ich Zufriedenheit – anders als andere – nicht als einen Zustand, der mich daran hindert, mich weiterzuentwickeln, noch besser oder glücklicher zu werden. Zufriedenheit ist für mich zum einen eine Momentaufnahme, kein generell gültiger Zustand bezogen auf eine bestimmte Situation. Vielmehr ist Zufriedenheit abhängig von dem, was gerade jetzt möglich ist: Die Zufriedenheit tritt im Leben nicht automatisch ein, sondern sie muss sich in der ständigen Auseinandersetzung mit der Unzufriedenheit behaupten.

Einige Beispiele:

  • Wenn ich richtig krank bin, bin ich schon zufrieden, wenn es langsam wieder besser wird, auch wenn ich meine Freizeit oder mein Arbeitsleben nicht wie gewohnt aktiv gestalten kann.
  • Wenn ich eine sinnstiftende und selbstbestimmte Arbeit mit vielen Freiräumen habe, bei der ich jedoch nicht so viel verdiene, wie ich eigentlich möchte, bin ich dennoch zufrieden: Denn die beiden erstgenannten Faktoren sind mir so viel wichtiger als ein durchgetakteter, total fremdbestimmter Arbeitstag mit viel mehr Geld.
  • Wenn ich bei einem 10-km-Lauf zu den langsamsten Läuferinnen gehöre, bin ich trotzdem zufrieden, denn ich habe durchgehalten und die Ziellinie erreicht.
  • Wenn beide Kinder ausgezogen sind und mir das „empty nest“ natürlich immer mal wieder aufs Gemüt schlägt, bin ich dennoch zufrieden, denn meine Kinder muss und will ich in die Welt entlassen und freue mich, wenn sie sich diesen großen Schritt zutrauen.

Für mich heißt Zufriedenheit also, mit mir und meinen aktuellen Wünschen im Einklang leben zu können. Dabei bin ich längst nicht immer glücklich und zufrieden, denn die äußeren Faktoren und inneren Bedürfnisse ändern sich natürlich ständig und müssen immer wieder aufeinander abgestimmt werden.

Zufriedene Menschen sind deshalb für mich die, die es immer wieder schaffen, genau dieses Wechselspiel von Gefühlen und Lebensumständen miteinander in einen zufrieden machenden Einklang zu bringen und sich bewusst entscheiden, zufrieden zu sein – und zwar bestenfalls, ohne dass sie dabei auf (äußere) Hilfe angewiesen sind oder andere für ihre punktuelle oder andauernde Unzufriedenheit verantwortlich machen.

Ein „Gefühlsfriedensbruch“

Juristisch gibt es diesen „Straftatbestand Gefühlsfriedesbruch“ natürlich nicht. Doch vor einer Weile hatte ich ein sehr einschneidendes Erlebnis mit einer Freundin, das sich genau so anfühlte. Diese Freundin scheint mit ihrer derzeitigen Lebenssituation weit unzufriedener zu sein, als sie es bisher kommuniziert hatte. Diese Unzufriedenheit hatte sie in einer bestimmten Situation in sehr verletzender Weise auf mich projiziert. Sie warf mir in zwei Gesprächen, in denen ich erstmals in unserer sehr langen Freundschaft Kritik an ihr geäußert hatte, vor, kein Verständnis für sie und ihre aktuelle Situation zu haben – die letztendlich die Summe ihrer eigenen Lebensentscheidungen ist. Dabei wurde sie persönlich ungerecht und ignorierte völlig, was sie über mich, meine Lebensgeschichte und meine Lebensentscheidungen weiß. Und forderte in einer für mich sehr verletzenden Weise mit zahlreichen „Ausreden“ von mir Verständnis, wo es eine einfache Entschuldigung getan hätte.

Über diese Gespräche und Vorwürfe habe ich immer wieder und sehr lange nachgedacht, denn sie haben mich nicht nur sehr verletzt, sondern auch richtig wütend und fassungslos gemacht. Einen solchen Egozentrismus hatte ich selbst bisher zwischen uns so noch nicht erfahren – allerdings bei ihr, anderen gegenüber, schon einige Male beobachtet. Ich habe aufgrund der langen und intensiven Freundschaft lange mit mir gerungen, wie ich damit umgehe – und nun für meine „innere Zufriedenheit“ beschlossen, mich von diesem Menschen zurückzuziehen, ihn gehen zu lassen. Ich pflege meine Freundschaften in der Regel intensiv, kämpfe um sie und kann auch Meinungsverschiedenheiten und schwierige Zeiten aushalten. Wenn ich jedoch merke, dass wir nicht (mehr) dieselben Werte teilen, sich dadurch ein unzufrieden machendes Ungleichgewicht einstellt und ich einfach nur enttäuscht bin, lasse ich lieber los.

Foto: Canva

Eine andere Freundin hat es so in Worte gefasst: Letztendlich heißt „enttäuscht“ zu sein ja nichts anderes, als dass man sich selbst in einem Menschen getäuscht hat und sich jetzt wieder ent-täuschen muss. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass ich lange nicht hinter die Kulisse geschaut habe – ich weiß es nicht. Das Gefühl sagt mir jedenfalls, dass ich ohne diesen Menschen zufriedener bin als mit, dass ich den „heilsamen Zustand der Stille oder Ruhe“ ohne ihn besser erreiche als mit. Das tut weh, gehört aber zur zufrieden machenden Seelenhygiene wohl auch dazu.

Zufriedenheit ist Ausdruck eines tiefen inneren Seelenfriedens

In einem Artikel von Psychologie heute mit der o. g. Überschrift wurden die drei Begriffe Glück, Freude und Zufriedenheit von Psychologieprofessor Philipp Mayring untersucht und definiert:

Freude

Freude ist ein starkes Gefühl, das meist als Reaktion auf eine angenehme Situation auftritt. Freude ist eher kurzfristig, wir fühlen uns lebendig und vital. Das Gegenteil der Freude stellt das Unwohlsein dar.

Glück

Glück bezeichnet das intensivste Wohlbefinden, das Menschen kennen. Das Gefühl ergreift die ganze Person, es ist langanhaltender als Freude, aber kürzer als Zufriedenheit. Glück strahlt auf andere ab, macht aufgeschlossener. Oft steht es in Zusammenhang mit Dingen, die über die eigene Person hinausgehen – wir erleben Glück in sozialen Situationen oder im Einklang mit der Natur. Das Gegenteil von Glück sind Trauer und Depressionen.

Zufriedenheit

Zufriedenheit ist das stabilste gute Gefühl. Sie ist ein ruhigerer Gefühlszustand als Freude und Glück, wirkt eher im Hintergrund des Erlebens. Zufriedenheit basiert auf einer positiven Grundstimmung, auf grundlegender Lebensbejahung. Sie ist kognitiv geprägt, tritt als Ergebnis von Denkprozessen wie dem Vergleichen und Abwägen auf. Zufriedenheit beinhaltet Ich-Erweiterung und -Überwindung. Ihr Gegenpol ist die Unzufriedenheit.

Foto: Canva

Zufriedenheit = Resilienz plus Gelassenheit

Zufriedenheit verstehe ich für mich entsprechend dieser Definition als wichtiges Grundgefühl – unabhängig von der aktuellen Lebenslage, die mal mehr, mal weniger zufrieden wahrgenommen werden kann. So gehört für mich zur Zufriedenheit auch immer die Fähigkeit der Resilienz dazu – also der Prozess, auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung des eigenen Verhaltens zu reagieren. Und die der Gelassenheit, so wie es in diesem Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr, US-amerikanischer Theologe, geschildert wird:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Zufriedenheit wurzelt also letztlich in der Persönlichkeit eines Menschen. Sie ist Ausdruck seines Wesens und das Resultat einer grundsätzlichen, lebensbejahenden Haltung dem Leben gegenüber. Zufriedenheit beinhaltet für mich – wie oben schon genannt – immer wieder die Ich-Erweiterung und -Überwindung. Zufriedenheit ist kein Stillstand, sondern ein immerwährender, sich verändernder, aber dennoch langanhaltender Zustand, dem ich stets mit Gelassenheit, Mut, Weisheit und Zuversicht begegnen will.

Wie definierst du für dich Zufriedenheit? Ist Zufriedenheit für dich etwas Gutes oder eher etwas Hemmendes? Vielleicht magst du ja bis Ende November 2023 auch noch an Korinas Blogparade teilnehmen – oder in die spannenden Beiträge hereinlesen, die schon in den Kommentaren unter ihrem Blogparaden-Beitrag verlinkt sind?

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Nicole Isermann

Nicole Isermann steht für Text, Redaktion, Content und PR mit Herz und Haltung! Mit Einfühlungsvermögen verfasst und bearbeitet die Wahlbonnerin Texte, die ankommen, berühren und Mehrwert liefern - am liebsten für Soloselbstständige mit echtem Herzens-Business. Ihre Lieblingsthemen sind Essen & Trinken, Lesen & Schreiben, Reisen & Kultur, Natur & Umwelt oder Engagement & Lernen. In den kreativen Schreibfluss findet Nicole u. a. mit ihren kreativen Elfchen und Zelfchen. Wenn sie nicht schreibt, engagiert sie sich ehrenamtlich für Kultur-, Kirchen- und soziale Projekte.

5 Gedanken zu „Wann bin ich zufrieden?

  • Pingback: Meine Bucket-List – das will ich bis Ende 2023 erleben, erledigen und genießen! - Nicole Isermann

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  • Ramona

    Hi Nicole, schön, dich hier zu treffen.
    Was du über die Ent-Täuschung schreibst, weckt Erinnerungen. Wahrscheinlich hat jeder Mensch solche Erfahrungen gemacht. Im Grunde ist es eher unwahrscheinlich, dass es viele Freundschaften von der Wiege bis zum Tod gibt, zumindest, wenn man nicht in einem kleinen Ort lebt und/oder den Wohnort oft wechselte.

    Ich denke über deine Bereitschaft nach, um Freundschaften auch zu kämpfen. Da fällt mir der Satz aus einem schönen Buch ein: „Was ist das für eine Liebe, um die man kämpfen muss?“ Und du schreibst auch von „aushalten“. Ich meine, dass weder Beziehungen, Freundschaften, Ehen etwas zum Aushalten sind, durchhalten hingegen schon. Nur wenn sich Durchhalten in Aushalten wandelt, ist es vielleicht an der Zeit genau hinzuschauen.

    Einen schönen Dezember dir! Liebe Grüße, ramona

    Antwort
    • Liebe Ramona,
      da schreibst du wahre Worte, hab lieben Dank für deine ausführliche Rückmeldung
      Du hast vermutlich Recht, in diesem konkreten Fall ist durchhalten zu aushalten geworden, und über den Unterschied dieser beiden Vorsilben muss ich noch ein bisschen nachdenken. Ein sehr guter Impuls.
      Zum Kämpfen stehe ich tatsächlich, denn ich verstehe es in Beziehungen aller Art wie du als engagieren, investieren, anstrengen, hinterfragen … Als Kampf, nicht als Krieg. Und manchmal fühlt es sich eben anstrengend und wie ein Kampf an, auch wenn sich das Ergebnis am Ende lohnt. Inhaltlich sind wir also auf einer Linie.
      Ich „kämpfe“ übrigens auch mit mir selbst sehr oft, nicht nur um etwas oder für etwas.
      Herzliche Grüße
      Nicole

      Antwort

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